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StäB ist auf dem Weg /

Zwei Herren links und rechts und eine Frau in der Mitte lächeln freundlich in die Kamera. Hinter Ihnen ist ein Aufsteller mit dem Logo PP.rt zu sehen.

Dr. Hubertus Friederich, Dr. Sylvia Claus und Prof. Dr. Gerhard Längle wollen die Behandlungsform StäB vorantreiben und etablieren.

Die stationsäquivalente Behandlung (StäB) hält immer mehr Einzug in Deutschland. In neun Bundesländern wird die neue Behandlungsform schon angeboten, bundesweiter Vorreiter war das ZfP Südwürttemberg. Bei der 3. Südwestdeutschen StäB-Tagung in der PP.rt Reutlingen, die gemeinsam mit dem Pfalzklinikum Klingenmünster und dem ZfP Südwürttemberg veranstaltet wurde, wurde über Erfahrungen im praktischen Alltag berichtet und diskutiert.

Bei StäB werden Patientinnen und Patienten, die vollstationär behandlungsbedürftig sind, von einem multiprofessionellen Team zu Hause aufgesucht und in ihrem gewohnten Umfeld behandelt. Dies bringt viele Vorteile mit sich: Eine Intervention im häuslichen Umfeld, wo oft auch die Probleme der Erkrankten liegen, sei nachhaltiger, sagt Dr. Sylvia Claus, Vorstandsmitglied in der Bundesdirektorenkonferenz sowie Chefärztin und stellvertretende Ärztliche Direktorin am Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie in Klingenmünster. In der Klinik in Rheinland-Pfalz wird StäB bereits seit März vergangenen Jahres angeboten. Dr. Claus kann von einem durchweg positiven Feedback vonseiten der Patienten als auch der Angehörigen berichten. Gerade für jene sei diese Art der Behandlung entlastender, da sie intensiv eingebunden sind. Zudem könnten Menschen erreicht werden, die sonst nicht zu einer adäquaten Behandlung gekommen wären. So zum Beispiel Patienten mit Kindern oder zu versorgenden Tieren sowie Menschen, die wegen ihrer Erkrankung das Haus nicht verlassen wollen oder welche, die schlechte Erfahrungen mit Kliniken gemacht haben. Der Kontakt kommt oft über behandelnde Hausärzte, Ambulanzen oder vollstationäre Behandlungsstätten zustande. Insgesamt könnten bis zu 15 Prozent aller sonst stationär aufgenommenen psychisch Kranken zu Hause behandelt werden.

Das ZfP Südwürttemberg kann von mehr als einem Jahr Erfahrung mit dem neuartigen Behandlungsmodell berichten. Prof. Dr. Gerhard Längle, Geschäftsführer der PP.rt  und Regionaldirektor Alb-Neckar des ZfP Südwürttemberg, ist verantwortlich für die Einführung von StäB im ZfP Südwürttemberg. Er stellt klar: „Bei StäB sollen keine Diagnosen oder Schweregrade ausgeschlossen werden.“ Über die Behandlungsindikation entscheidet ein Facharzt. Dr. Hubertus Friederich, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Alb-Neckar, ist selbst Teil des StäB-Teams in Zwiefalten. Sein Fazit: „Für mich trifft StäB die Kernmotivation der psychiatrischen Behandlung.“ Die ganzheitliche Begegnung mit Patienten und Angehörigen auf Augenhöhe in ihrem Zuhause und die sehr enge, intensive Beziehungsarbeit sei ganz besonders. Aufsuchende Behandlung bei schwer psychisch Kranken in Krisen war von Psychiatrie-Erfahrenen sowie von Angehörigen lange gefordert worden. Seit dem 1.1.2018 ist die Einführung von StäB in allen Krankenhäusern mit Pflichtversorgung gesetzlich möglich.

Im Rahmen der Fachtagung konnten auch andere Kliniken von ihren praktischen Erfahrungen mit StäB erzählen. Rainer Kluza, Geschäftsführer der PP.rt, begrüßte die mehr als 200 Gäste zur 3. Südwestdeutschen StäB-Tagung in der PP.rt. Er freute sich über das breite Interesse von Vertretern psychiatrischer Kliniken, Interessensverbänden, Pflegekräften und anderen in der Behandlung von psychisch kranken Menschen Tätigen. Prof. Dr. Gerhard Längle gab einen Überblick über die bisherige und weitere StäB-Umsetzung in Deutschland: Am ZfP Südwürttemberg, dem bundesweiten Vorreiter, wurden mit der PP.rt in Reutlingen an insgesamt sechs Standorten schon knapp 400 Patientinnen und Patienten nach StäB behandelt. Deutschlandweit führen Kliniken in mittlerweile neun Bundesländern StäB durch, so zum Beispiel in München, Reichenau, Stuttgart, Bielefeld, Berlin und Leipzig. „StäB ist auf dem Weg“, so Längles Fazit. Seit 1. April sind teilnehmende Einrichtungen in der bundesweiten AG-StäB vernetzt.

Dr. Eva Ketisch und Tina Bareither vom kbo-Isar-Amper-Klinikum München berichteten in ihrem Vortrag praxisnah über die Arbeit des StäB-Teams im großstädtischen Milieu. In einer Testphase von zwei Jahren behandelt das 15-köpfige Team derzeit 20 Patientinnen und Patienten in München. Probleme seien dort vor allem die aufwändige Wochenplanung und die Situation auf den Straßen. In Bayern ist jedoch eine ausschleichende Behandlung möglich, eine nahtlose Weiterbehandlung beispielsweise in Nachsorgeambulanzen. Sehr praxisnah erläuterten die Münchenerinnen die tägliche Arbeit und beantworteten Fragen zur Organisation und Durchführung. Über den Aufbau einer StäB-Versorgung im ländlichen Milieu referierte Dr. Sylvia Claus. Auch in Rheinland-Pfalz sei das Versorgungsgebiet sehr groß und der Planungsaufwand und die Fahrzeiten für die Mitarbeitenden lang. Jedoch sei die Arbeit im StäB-Team flexibler, die Behandelnden hätten mehr Eigenverantwortung, mehr Zeit für Teamarbeit und die Patienten und ein größeres Arbeitsspektrum. Patienten wie Angehörige bewerten die intensive Behandlung positiv und seien dankbar. Sie ist sich sicher: „StäB ist für viele Betroffene die bessere Behandlungsform.“

Harald Metzger, 2. Beisitzer des Landesverbandes Psychiatrie-Erfahrener in Baden-Württemberg, wertete StäB in einem kurzen Statement als positive neue Behandlungsform und als Beginn einer sektorübergreifenden Versorgung. Positiv sei, dass das soziale Umfeld erhalten bleibe und dass der Patient vom Team ganzheitlich kennen gelernt werde. Metzger wünschte sich, dass Angehörige während der gesamten Behandlungsdauer mit einbezogen und unterstützt werden. Er regte zudem den Einsatz von EX-IN Genesungsbegleitern an. Insgesamt lobte er StäB als Alternative und Chance und forderte den schnellen flächendeckenden Ausbau.

In Workshops diskutierten die Tagungsteilnehmenden am Nachmittag zu Themen wie Team-Bildung, die Rolle der Angehörigen und die Einbindung der Partner aus dem gemeindepsychiatrischen Verbund. Beim Ausklang mit Kaffee wurden neue Kontakte geknüpft. Zeitgleich zur Tagung im Südwesten fand in Berlin die 1. Nordostdeutsche StäB-Tagung statt. Ziel beider Veranstaltungen war es, die Diskussion über StäB zu intensivieren und die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch zu schaffen, sodass eine bundesweite Umsetzung gefördert wird. Im kommenden Jahr richtet das Pfalzklinikum Klingenmünster in Rheinland-Pfalz die 4. Südwestdeutsche StäB-Tagung aus.




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