Die Bundestagsabgeordneten Lothar Riebsamen und Axel Müller tauschten sich mit Mitgliedern der Geschäftsleitung und Personalratsmitgliedern des ZfP Südwürttemberg zur neuen Personalrichtlinie aus. Initiiert hatte die Veranstaltung der Weissenauer Personalrat.
Die im September vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) veröffentlichte und seit Januar 2020 gültige Richtline „Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik“ sorgt in zahlreichen Kliniken und bei Fachverbänden für Kritik. Die verbindlichen Mindestvorgaben orientieren sich an der nahezu 30 Jahre alten Psychiatrie-Personalverordnung, viele Expertinnen und Experten sehen eine leitliniengerechte und menschenrechtskonforme Versorgung gefährdet. Auch die Geschäftsleitung sowie die Personalräte des ZfP Südwürttemberg zeigen sich enttäuscht.
Mit dem Ziel, ihre Bedenken auch über die politische Ebene anzubringen, lud der Personalrat des ZfP am Standort Weissenau Bundestagsabgeordnete und Geschäftsleitungsmitglieder zu einem Gespräch ein. Lothar Riebsamen und Axel Müller von der CDU folgten der Einladung. Seitens des ZfP nutzten Geschäftsführer Dr. Dieter Grupp, die Regionaldirektorin Ravensburg-Bodensee Karin Wochner sowie der Pflegedirektor am Standort Weissenau Martin Holzke die Möglichkeit zum Austausch.
Mehr Dokumentation, weniger Personal
„Wir hatten uns eine deutlich bessere Personalbemessung erhofft“, stellte Roland Motz, stellvertretender Vorsitzender des Personalrats Weissenau im ZfP Südwürttemberg, gleich zu Beginn des Treffens klar. Die vom G-BA festgelegten Untergrenzen gingen nicht über das hinaus, was bereits in der bisher geltenden Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) von 1991 beschrieben war. Zudem seien für die neue Richtlinie keine aussagekräftigen Daten über psychiatrische Kliniken zu Rate gezogen worden. Motz verdeutlichte die Folgen: „Unsere Personalsituation wird immer angespannter. Gleichzeitig bringt die neue Verordnung einen wahnsinnigen Dokumentationsaufwand mit sich.“
Auch ZfP-Geschäftsführer Dr. Dieter Grupp bekannte: „Seit über 10 Jahren sind wir an dem Thema Personalbemessung dran. Nun wurde uns die Chance für mehr Personal und damit für eine bessere psychiatrische Versorgung genommen.“ Man habe mit den sogenannten Schussenrieder Tabellen früh geeignete Vorschläge gemacht. Für eine moderne, humane Behandlung wurden darin 10-20 Prozent mehr Personal für alle Berufsgruppen, insbesondere für die Pflege, gefordert. Doch die neuen Vorgaben bedeuten vor allem mehr Kapazitäten für Dokumentation, kleinteilige bürokratische Vorgaben erschweren die Umsetzung innovativer Therapieformen. „Wir sind in unserer Arbeit erfahren und brauchen gewisse Handlungsspielräume und Rückhalt, nicht nur Kontrolle“, sagte Grupp. Dann wendete er sich an Riebsamen und Müller: „Sie sind nur indirekt beteiligt, trotzdem würde ich Sie bitten, mit uns gemeinsam zu prüfen, was wir tun können. Wir können die Richtlinie in ihrer jetzigen Form schlicht nicht einhalten.“
Kritik und Verbesserungen anbringen
Lothar Riebsamen und Axel Müller hatten den Ausführungen aufmerksam gefolgt. Anschließend gaben sie direkt an: „Sie sind die Experten. Der Bundestag kann nicht mehr Fachwissen haben als die, die die Arbeit durchführen.“ Man wolle Anregungen und Kritik mitnehmen. Die beiden Abgeordneten stellten viele Fragen und diskutierten mit allen Teilnehmenden unter anderem die detaillierten Inhalte der neuen Richtlinie, Unterschiede zwischen somatischen und psychiatrischen Kliniken sowie verschiedene Einrichtungsformen von der Tagesklinik hin zur stationsäquivalenten Behandlung. Riebsamen betonte: „Es braucht eine wirklich wissenschaftlich fundierte Personalbemessung.“ Er wies auch darauf hin, dass der G-BA selbst erkannt habe, dass Änderungen in der Richtlinie nötig seien - 2024 sei eine Evaluierung geplant. Axel Müller erklärte: „Wir dürfen in den laufenden Prozess nicht eingreifen, sondern erst hinterher, wenn die Zielsetzung vom G-BA nicht erfüllt wurde.“
Abschließend wendete sich Motz an die beiden Abgeordneten: „Vielen Dank, dass Sie in die Höhle des Löwen gekommen sind. Wir hoffen, dass wir mit dem Gespräch etwas bewirken konnten.“ Auch Müller bedankte sich: „Ein solcher direkter Austausch ist die bessere Form des Dialogs.“ Das Gesamtsystem werde immer im Fluss bleiben, merkte Riebsamen an: „Gesprächsbedarf wird es jedes Jahr aufs Neue geben – dafür stehen wir gern zur Verfügung.“