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Als zwischen „lebenswert“ und „lebensunwert“ unterschieden wurde /

Bei der Gedenkfeier des ZfP Südwürttemberg in Bad Schussenried wurde das Theaterstück „T4. Ophelias Garten“ aufgeführt.

Wie war es möglich, dass psychisch kranke und behinderte Menschen wegen ihrer vermeintlichen „Fehler“ ermordet wurden? Dies war Thema eines Theaterstücks bei der Gedenkfeier des ZfP Südwürttemberg in Bad Schussenried. Knapp 100 Menschen kamen ins Gustav-Mesmer-Haus, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.

Warum Gedenktag, warum jedes Jahr? Dies fragte Dr. Bettina Jäpel, Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bad Schussenried, in den gänzlich gefüllten Saal im Gustav-Mesmer-Haus. „Weil es vor nicht einmal hundert Jahren scheinbar möglich war, zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben zu unterscheiden. Dass es psychiatrisch Tätige zuließen, die ihnen anvertrauten Menschen in den Tod zu schicken“, sagte Jäpel mit Nachdruck. Während des Zweiten Weltkriegs wurden 300.000 psychisch kranke und behinderte Menschen von den Mitarbeitenden der Heil- und Pflegeanstalten im Sinne nationalsozialistischer Politik in den Tod geschickt.

Im Rahmen der sogenannten Euthanasie („-Aktion T4“) der Nazis in den Jahren 1940 und 1941 wurden aus der psychiatrischen Klinik in Bad Schussenried 619 psychisch kranke und behinderte Menschen deportiert und in Grafeneck mit Gas ermordet. Um dieser und aller anderen Opfer zu gedenken, hatten Mitarbeitende und Patienten der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie unter der Regie von Theaterpädagoge Alexander Marx-Pabst das Stück „T4. Ophelias Garten“ einstudiert und nun im ZfP uraufgeführt. Prof. Dr. Thomas Müller, Leiter der Abteilung Bildung und Wissen des ZfP Südwürttemberg, ließ das Drama des italienischen Autors Pietro Floridia ins Deutsche übersetzen und im hauseigenen Verlag „Psychiatrie und Geschichte“ publizieren. Er berichtete über die Entstehung dieses Projekts und die Arbeit des italienischen Autors: „Aus der historischen Forschung heraus betrachtet ist es heute klar, dass die „Euthanasie“ eng mit dem später geplanten Holocaust zusammenhängt.“

In dem Stück geht es um die Krankenschwester Gertrud (gespielt von Nicole Gerster), die im Kriegswinter 1941 Ophelia (Jasmin Heckmann), Patientin einer Psychiatrie, kennenlernt. Gertrud, Angestellte in der psychiatrischen Klinik, soll prüfen, ob Ophelia ein Fall von „lebensunwertem Leben“ darstellt und letztlich deportiert und ermordet werden soll. Mit jedem Besuch mehr merkt Gertrud, dass Ophelia zwar eigensinnig, aber auch liebenswert und fürsorglich ist. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich schließlich eine Freundschaft und Getrud sorgt sich um Ophelia. Die Krankenschwester versucht, ihre Freundin vor der „Euthanasie“ zu bewahren. Hierfür muss sie der T4-Ärztekommission glaubhaft zeigen, dass Ophelia nicht nutz- und wertlos ist. Musiker um Heiko Grom untermahlten die Aufführung musikalisch mit Stücken, die für unterschiedliche Aspekte jüdischer Kulturgeschichte stehen.

Die Darbietung der Schauspielerinnen war sehr beeindruckend und berührend und zeigte einmal mehr sehr deutlich, was uns heute unfassbar erscheint: wie es möglich sein konnte, psychisch kranken und behinderten Menschen das Lebensrecht abzusprechen. Theaterpädagoge Alexander Marx-Pabst war erfreut, dass sich die einjährige Vorarbeit gelohnt hatte und bedankte sich bei der Klinikleitung für das Vertrauen, das Stück aufführen zu dürfen, sowie bei allen Beteiligten für ihren engagierten Beitrag. Die Impressionen wirkten bei den Zuschauern nach und regten nach der Vorführung zu vielen Gesprächen an.




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