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Damit ein gutes Zusammenleben in der Gemeinde gelingt /

Wo liegen die Grenzen der individuellen Freiheit und welche Maßnahmen können gegen verhaltensauffällige Personen ergriffen werden? Über dieses Spannungsfeld diskutierten bei einer Podiumsdiskussion in der Stadthalle Bad Schussenried Vertretungen der Stadtverwaltung und der Bürgerschaft, die Präsidenten des Landgerichts Ravensburg und des Polizeipräsidiums Ulm sowie der Patientenfürsprecher des Landkreises Biberach und des ZfP Südwürttemberg. Es zeigte sich: Den Teilnehmenden ist ein offener Austausch und eine gute Zusammenarbeit wichtig.

Polizeieinsätze in Bad Schussenried und zuletzt der Vorfall bei einem Einsatz mit Todesfolge (ZfP-Patient) nahmen die Stadtverwaltung Bad Schussenried und das ZfP Südwürttemberg am Standort Bad Schussenried zum Anlass, über Gründe und Ursachen von „Störungen“ der Öffentlichkeit wie über Möglichkeiten des Umgangs zu informieren und zusammen mit der Bürgerschaft zu diskutieren. Als Gastgeber begrüßte Bürgermeister Achim Deinet die 120 Interessierten und führte zum Thema hin. Er betonte: „Die Stadt bekennt sich zum ZfP, es ist Teil der Stadt.“ Die Versorgung von psychisch Kranken am Standort bringe aber auch „Lasten“ mit sich, Betroffene prägten das Stadtbild mit. Damit sprach er die Obdachlosen-Situation in der Stadt an: Viele Auswärtige würden nach ihrer Behandlung im ZfP in der Stadt bleiben wollen. Dies sei eine finanzielle Belastung. Nachdrücklich machte Deinet im Verlauf des Abends klar, dass der Polizeiposten seiner Meinung nach auch nachts und an allen Wochentagen besetzt sein sollte, um für mehr Sicherheit zu sorgen.

Dr. Dieter Grupp, Geschäftsführer des ZfP Südwürttemberg, umschrieb unser heutiges gesellschaftliches Leben: „Individuelle Freiheit ist ein hohes Gut.“ Das tägliche Zusammenleben funktioniere mithilfe von Regeln. Wie gehen wir mit in ihren Möglichkeiten eingeschränkten Menschen um, fragte Grupp. „Psychiatrie ist erfolgreich und leistet einen Beitrag zu gelingendem Zusammenleben. Es sind nur wenige Personen, die verhaltensauffällig sind und bleiben“, stellte er klar. Über den Umgang mit störendem Verhalten aus psychiatrischer Sicht berichtete Prof. Dr. Tilman Steinert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Ulm in Weissenau. Psychisch Erkrankte könnten Übertretungen von Regeln und ihr Verhalten nicht immer reflektieren. Welche Möglichkeiten bestehen also für Bürger*innen, die sich gestört fühlen? Steinert nannte als Option unter anderem, sich an den jeweiligen sozialpsychiatrischen Dienst zu wenden. In bestimmten Fällen seien die Polizei oder das Ordnungsamt zuständig. Das ZfP könne nur mit Rechtsgrundlage behandeln, stellte er klar. Lockerungen bei Patient*innen der Forensischen Psychiatrie erfolgten nur nach Prüfung durch die Staatsanwaltschaft.

An die rechtlichen Grundlagen knüpfte Thomas Dörr, Präsident des Landgerichts Ravensburg, an. „Die Freiheit des Einzelnen und die Sicherheit der Gesellschaft stehen in einem Spannungsverhältnis“, erläuterte er. Es bestehe die Gefahr, dass ein aus der Haftanstalt Entlassener wieder straffällig wird. Dieses Risiko müsste die Gesellschaft hinnehmen. Die Entlassung einer untergebrachten Person aus der Forensischen Psychiatrie dagegen werde gutachterlich überprüft, hier sei das Risiko geringer. „Einzelfälle können auch woanders passieren“, so Dörr.

Moderator Prof. Dr. Thomas Müller, Leiter des Forschungsbereichs Geschichte und Ethik in der Medizin im ZfP Südwürttemberg, fand es nachvollziehbar, dass das subjektive Sicherheitsempfinden durch Vorfälle wie im Juli dieses Jahres gestört werden könne, es läge jedoch eine komplexe Situation vor, in der alle Seiten gesehen werden müssten. Müller betonte gemeinsame Lösungsansätze im Miteinander. Thomas Neu berichtete als Vertreter der Bürgerschaft der Gemeinde, wie er den Vorfall mit einem ZfP-Patienten, der im Herbst 2018 mit einem Messer durch die Straße lief, erlebte. „Die Individualität und die Kollektivität müssen besser abgewogen werden“, befand er. Neu sprach sich ebenfalls für eine Rund-um-die-Uhr-Besetzung des Bad Schussenrieder Polizeipostens aus, um mehr Sicherheit zu gewährleisten. Der Forderung nach mehr Polizeipräsenz in der Stadt erteilte Bernhard Weber, Präsident des Polizeipräsidiums Ulm, allerdings eine Absage: „Die Einsatzzahlen und die Einwohneranzahl geben das nicht her“, machte er deutlich. Das Kräftepotenzial sei entlang einer Verteilungsgerechtigkeit gewissenhaft verteilt und durch das ZfP sei die Polizei in Bad Schussenried nicht übermäßig belastet. „Ein Mehr an Polizei hätte auch den Vorfall im Juli nicht verhindern können“, konstatierte der Polizeipräsident.

Dr. Bettina Jäpel, Regionaldirektorin Donau-Riss im ZfP Südwürttemberg, erlebt aus ihrer Sicht eine offene Bürgerschaft in der Stadt. Viele Mitarbeitende lebten selbst in der Stadt, für sie alle sei die Arbeit oft herausfordernd. Beispielsweise, wenn Behandelte nach einer Entlassung selbständig Medikamente absetzen. Auch die Klinik sei nach dem Vorfall im Juli geschockt gewesen. „Das war so nicht vorhersehbar gewesen“, sagte Jäpel und stellte klar: „Wir erreichen nicht alle Menschen und haben nicht für alle Lösungen.“ Bei der Herausforderung bezüglich Obdachloser mit ZfP-Vorgeschichte wolle das ZfP mit der Stadt kooperieren. Für eine gemeindenahe Versorgung sorge zukünftig auch der Neubau des Satelliten in Biberach. In Planung seien zudem für das kommende Jahr Projekte und Veranstaltungen, um mit der Bevölkerung mehr in Kontakt zu treten.

Bürgermeister Deinet bekannte sich klar zum ZfP als größter Arbeitgeber der Stadt und zu den in der Gemeinde lebenden Mitarbeitenden. Seiner Meinung nach bleibe das Problem mit der subjektiven Sicherheit. Deinet unterstrich seinen Wunsch nach einem ganztägig besetzten Polizeiposten in der Stadt. Weber informierte: Der Umbau des ehemaligen Beamtengebäudes beim Kloster als zukünftiger zentraler Polizeiposten in der Stadt startet nächstes Jahr.

Dr. Ulrich Mack vertrat als Patientenfürsprecher des Landkreises Biberach die Interessen der psychisch Erkrankten und deren Angehörigen. „Störendes Verhalten fällt meistens zuerst in der Familie auf“, erläuterte er. Psychisch Erkrankte bräuchten Unterstützung, um sich selbst mit ihrer Krankheit zu akzeptieren. Aufklärungsarbeit sei nötig, um Vorbehalte in der Gesellschaft abzubauen.

Schließlich diskutierte das Schussenrieder Publikum rege mit (das ZfP als Organisator und Mit-Veranstalter hatte die Anzahl der eigenen Mitarbeitenden bei der Veranstaltung im Vorfeld begrenzt). Unter anderem wurde die Frage gestellt, wie die Zusammenarbeit mit der Stadt funktioniere. „Es findet ein regelmäßiger Austausch mit dem ZfP statt“, antwortete Deinet und lobte die Zusammenarbeit mit der Klinik und mit der Polizei. „Wir bekommen die Probleme nur zusammen gelöst“, so das Fazit des Bürgermeisters.

In einer Reihe von abschließenden Bemerkungen, wie auch im Fazit aus Sicht des Moderators lägen Lösungen für zukünftige Herausforderungen in der Qualität der Zusammenarbeit und guten Kooperation in der Gemeinde. Verschiedene Projekte wurden seitens einiger Podiumsteilnehmer bereits vorgeschlagen. Man bleibe im Gespräch.




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