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Gedenken mit Worten, Theater und Musik /

In einer Reihe stehen sechs Personen nebeneinander, vor ihnen sitzen ein Mann und eine Frau auf Stühlen. Manche der Personen halten Grablichter in den Händen, der sitzende Mann vorne eine Klangschale. Der Mann links steht neben einem großen Gong und hält ein Musikinstrument in der Hand.

Gestalteten die Gedenkveranstaltung im Gustav-Mesmer-Haus mit: Theaterpädagoge Alexander Marx-Pabst (2. v. l.), Musiktherapeut Heiko Grom (vorne links), Kathrin Rothmund (rechts), die Regionaldirektion Donau-Riss Dr. Bettina Jäpel (2. v. r. hinten) und Dr. Paul Lahode (3. v. r. hinten) sowie Patient:innen der forensischen Theater- und Musikgruppe im ZfP.

619 Menschen aus Bad Schussenried wurden durch die Nationalsozialisten ermordet – an sie und an alle Opfer des Nationalsozialismus erinnerte das ZfP Südwürttemberg am nationalen Gedenktag am 27.01.2023. Die öffentliche Gedenkveranstaltung wurde neben Ansprachen mit kurzen Theater- und Musikeinlagen untermalt.

Vor 78 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit – auf dieses denkwürdige Ereignis ging Regionaldirektorin Dr. Bettina Jäpel bei der Gedenkfeier am Mahnmal offenes Haus ein. 619 Patient:innen aus der damaligen Psychiatrischen Landesklinik in Bad Schussenried und insgesamt 300.000 Kranke und Behinderte aus ganz Deutschland wurden im Rahmen der „Euthanasie-Aktion“ von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet. Noch heute sei das Geschehene unvorstellbar. „Vor nicht einmal 100 Jahren war es möglich gewesen, zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben zu unterscheiden.“ Fassungslos berichtete sie, dass die Ärzteschaft und Mitarbeitende der Einrichtungen es zuließen, dass psychisch Kranke und Behinderte in den Tod geschickt wurden. „Die Menschen waren zur Behandlung und Betreuung anvertraut“, sagte Jäpel betroffen. Das Mahnmal mache die Schutzlosigkeit der Menschen sichtbar. „Wir sind heute froh, dass wir ein Dach über dem Kopf haben.“ In Zeiten von Krisen und Krieg in Europa müssten sich alle gemeinsam dagegen positionieren und dafür einstehen, dass sich die Geschichte niemals wiederholen dürfe, mahnte Jäpel.

Zusammen mit Dr. Paul Lahode, Regionaldirektor Donau-Riss im ZfP, und der katholischen Klinikseelsorgerin Barbara John hielten sie am Gedenkkranz unter dem Mahnmal inne und brachten gemeinsam ihre Betroffenheit zum Ausdruck. Die Einzelschicksale machten fassungslos, so John. „Wir sind die Hüterinnen und Hüter unserer Brüder und Schwestern, die sich nicht wehren können“, sagte die Klinikseelsorgerin. Und in dunklen Zeiten müssten wir alle uns einander Brüder und Schwestern sein. 

Gemeinsames Gedenken

Nach den Corona-Einschränkungen war in diesem Jahr anschließend wieder eine öffentliche Gedenkfeier im Gustav-Mesmer-Haus möglich gewesen. Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitende der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Bad Schussenried gestalteten die Veranstaltung maßgeblich mit. Die Schicksale der „Euthanasie“-Opfer wurden fassbarer durch kurze Sprecheinlagen der Theatergruppe der Forensischen Klinik in Bad Schussenried. In Redebeiträgen schilderten die Schauspielenden, darunter Theaterpädagoge Alexander Marx-Pabst und Patient:innen der Forensischen Klinik, die Schicksale von einzelnen kranken und behinderten Opfern aus Konstanz. Die Berichte über die Einzelschicksale machten deutlich: Sie alle gingen einer Arbeit nach. Aufgrund ihrer Erkrankung oder Behinderung wurden sie jedoch als lebensunwert angesehen und in der Vernichtungsstätte Grafeneck ermordet. Zu den vorgestellten Schicksalen erklang jeweils ein eindrücklicher Gong vonseiten der Musikgruppe der Forensischen Klinik.

Heutige Mitverantwortung

Regionaldirektorin Dr. Bettina Jäpel fragte ins Publikum: „Warum ist Gedenken heute noch erforderlich?“ In der heutigen Zeit gebe es alarmierende Zeichen wie radikales Gedankengut oder rechte Hetze im Internet. „Wir sind heute mehr als je gefragt und dafür mitverantwortlich, die Geschichte aktiv zu beeinflussen, Ungerechtigkeiten anzuprangern und empathisch mit dem Gegenüber zu sein“, befand die Regionaldirektorin. „Wir alle sollten heute das schätzen, was wir haben: Demokratie, Integration, Toleranz sowie Vielfalt statt Ausgrenzung“, so Jäpel. Musikalische Einlagen von Musiktherapeut Heiko Grom und einem Patienten der Forensischen Klinik zwischendurch ließen das Gesagte wirken.

Eine Patientin der forensischen Theatergruppe spielte nachdrücklich eine Szene aus dem Stück „T4. Ophelias Garten“, welches bei der Gedenktagsveranstaltung vor drei Jahren aufgeführt worden war. Regie führte Alexander Marx-Pabst. „Sogar den professionell Tätigen wie Krankenschwestern wurde damals die Menschlichkeit ausgetrieben“, meinte der Theaterpädagoge zu dem Stück. Mit einem weiteren kurzen Theaterstück nach dem Bilderbuch „Ente, Tod und Tulpe“ von Wolf Elbruch ging die forensische Theatergruppe weiter auf die Themen Tod, Sterben und Totsein ein und regte die Zuhörenden zum Nachdenken an. 

Mitorganisatorin Kathrin Rothmund, Pflegerische Leiterin der Alterspsychiatrie am Standort Bad Schussenried, bedankte sich am Ende bei den Teilnehmenden der Gedenkfeier. Sie lud alle dazu ein, sich ein Grablicht mitzunehmen, es anzuzünden und es am Mahnmal Offenes Haus abzustellen – und damit in Erinnerung an die Verstorbenen ein Licht in die Welt hinauszutragen. 




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