Wie beeinflusst eine positive Haltung die Tätigkeit von Pflegefachkräften, die Arbeitswelt und die Zukunft der psychiatrischen Versorgung? Rund um diese und mehr Fragen drehte sich das 7. Pflegesymposium des ZfP Südwürttemberg zum Thema „postiveMindset“.
Seit zehn Jahren steht bei vielen Pflegefachkräften das Pflegesymposium fest im Kalender. Anfangs noch alle zwei Jahre und inzwischen jährlich lädt das Organisationsteam zum fachlichen Austausch rund um Themen der psychiatrischen Pflege nach Weissenau. Erstmalig fand das Symposium nun im historischen Festsaal des Klosters statt, wo das Moderationsteam Anna Heinsch, pflegerische Abteilungsleiterin der Allgemeinpsychiatrie Wangen, und Ruben Giesin, pflegerischer Leiter der Abteilung Depression und Trauma, die rund 300 Teilnehmenden zum Thema „positiveMindset“ willkommen hieß. Ein positives Mindset betonte Giesin, heiße mehr als gut gelaunt zu sein. Es betreffe unsere Haltung, Denkweise und Überzeugungen und beeinflusse, wie wir herausfordernde Situationen wahrnehmen und auf sie reagieren. „Ein positives Mindset ist eine tägliche bewusste Entscheidung, die es sich zu treffen lohnt.“
Mit der Qualifizierung von psychiatrischen Pflegekräften und perspektivischen Bildungswegen in der Pflege befasste sich Martin Holzke, Leiter des Zentralbereichs Pflege und Medizin im ZfP, in seinem Grußwort und forderte: „Wir müssen logisch an die bisherige generalistische Ausbildung anknüpfen und darauf aufbauen.“ Mit der angestrebten, modular aufgebauten Fachweiterbildung, die in den kommenden zwei Jahren eingeführt werde und vertiefende Bausteine biete, stehe ein wichtiger Schritt bevor. In weiterer Zukunft sieht Holzke außerdem die Option für einen Bachelorstudiengang „Psychiatrische Pflege“. Einen neuen und sektorenübergreifenden Ansatz für die bedürfnisorientierte Versorgung psychisch kranker Menschen verfolge zudem das Projekt BEREIT. „Ziel ist, dass Pflegende in mehr als einem Setting tätig sein und Patient:innen durch alle Sektoren hinweg begleiten können.“ Abschließend nutzte Holzke die Gelegenheit, auf den nun in allen gängigen Plattformen verfügbaren Podcast „Yes we care“ der Pflegeentwicklung hinzuweisen und in einer Live-Umfrage Themen für kommende Folgen abzufragen. Selbstfürsorge, Geld, Bildung und Work-Life-Balance waren die am häufigsten genannten Antworten der Anwesenden.
Entscheidende Rolle der Führungsebene
Den Blick gen Zukunft richtete auch Referent Prof. Dr. André Nienaber. Der Pflegedirektor der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel beschäftigte sich in seinem Vortrag mit den aktuellen und künftigen Herausforderungen der psychiatrischen Versorgung, darunter auch sogenannte Megatrends. Entwicklungen wie eine alternde Gesellschaft, Individualisierung, Digitalisierung und eine neue Arbeitswelt wirken gesamtgesellschaftlich und beeinflussen nicht zuletzt die Pflege. Ebenso veränderbar sei auch unser Mindset, das sich neu justieren und weiterentwickeln lasse. „Was ist mein Mindset? Sehe ich Aufgaben als Herausforderung oder als Schwierigkeit?“, regte Nienaber zur persönlichen Reflektion an. Eine entscheidende Rolle in der Arbeitswelt spiele dabei auch die Führungsebene, die sich verantwortlich für positive Rahmenbedingungen zeichne. „Auch deshalb muss Vertrauen in die Leitung gestärkt werden.“
Der Vortrag der aus Potsdam angereisten Referentin Sabine Brase knüpfte an das Thema Führung an. Die Pflegewissenschaftlerin und Geschäftsführerin sprach sich für einen beidhändigen, sogenannten ambidextren Führungsstil aus, um bestehende Versorgungsangebote effizient zu optimieren und lösungsorientiert Zukunft zu denken. „Beidhändig führen heißt, den Wald und die Bäume zu sehen“, fasste Brase den Grundgedanken zusammen. So sei es Aufgabe der Leitungsebene Trends zu erkennen, rechtzeitig Maßnahmen abzuleiten und Kompetenzen bereitzuhalten. Individuelle Führungskompetenz und Qualifizierungsmaßnahmen, Privatleben und Persönlichkeitsmerkmale von Mitarbeitenden mitzudenken und vernetzte Zusammenarbeit zählte die Geschäftsführerin als Schlüssel für agile und moderne Führung auf. Wie und dass das gelingen kann, verdeutlichte sie anhand von Beispielen aus dem Potsdamer Klinikum: Via Gesundheitsapp können Pflegekräfte dort anonym Rückmeldung zur Arbeitsbelastung geben, mit geschenkten Büchern zum Thema Führung werde niederschwellig der Erwerb von Wissen unterstützt und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde mit einem Therapieboot ein neues innovatives tagesklinisches Versorgungssetting etabliert – verbunden mit einem großer Zulauf an interessierten Bewerber:innen in der Pflege. „Führungsstärke wird künftig erfolgreiche Krankenhäuser von weniger erfolgreichen unterscheiden“, so Brases Zukunftsprognose.
Hoffnung, Mut und Menschlichkeit
Claudia Röhm, ehemalige Patientin, die sich zur Genesungsbegleiterin ausbilden ließ und nun am Standort Zwiefalten des ZfP tätig ist, teilte ihre bewegende Lebensgeschichte, die geprägt war von traumatischen Erlebnissen, Drogenabhängigkeit, Therapien und Neuanfängen. Trotzallem begleite sie ein positives Mindset: „Hoffnung und Zuversicht sind wichtig. Für Patienten bin ich der Beweis, dass es auch wieder gut werden kann.“ Bei der Genesung geholfen habe ihr die Unterstützung von Fachkräften und Freunden, Pflegepersonal, das ihr mit Respekt und Verständnis begegnete, eine sinnvolle Arbeit, Akzeptanz und Verständnis. All das nehme sie auch in ihre Tätigkeit als Genesungsbegleiterin mit und ist überzeugt: „Mit einer zugewandten empathischen Haltung werden Menschen in der Psychiatrie am besten begleitet.“
Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, mit den Hauptreferent:innen vertiefend zu diskutieren. In den anschließenden Workshops beschäftigten sie sich in Gruppen mit Themen wie kollegiale Erstbetreuung, ethische Fallberatung, Glück – eine Sache des Mindsets und tiergestützte Therapie. Im Plenum fassten Pflegeexpert:innen in einer Statement-Runde die Erkenntnisse der Workshops schließlich zusammen. „Pflege sollte sich als aktiver Teil der Arbeitswelt sehen und diese mit einem klaren Wertekompass beeinflussen“, so ein Fazit. Einig waren sich alle Beteiligten, dass Pflege im Miteinander, mit Haltung, Reflektion und Menschlichkeit gestaltet werde. „Veränderung beginnt bei uns selbst und im Kleinen. Wir können den Raum schaffen, dass sich positives Mindset entwickeln kann“.