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Die Veranstaltung am Standort Zwiefalten war die zentrale Gedenkfeier aller Zentren für Psychiatrie Baden-Württemberg.

ZWIEFALTEN – Es lohnt sich, die eigenen Werte zu verteidigen, gleichzeitig ist es unsere Pflicht, sich rechtem Gedankengut entschieden entgegenzustellen – darin waren sich die Akteure der zentralen Gedenkfeier der Zentren für Psychiatrie einig, vom Sozialministerium hin zu den Schülerinnen und Schülern der Münsterschule.

„Wo bleiben die Beschwerden? Warum lassen wir das zu? Wir können was dafür, wenn wir nichts dagegen tun.“ lauteten Zeilen aus dem ersten Lied, das die Band Feuervogel bei der Gedenkfeier spielte. Auch ihre weiteren Stücke wie „Die Hoffnung ist der Anfang von allem“ wählten die Musiker mit Bedacht. Dr. Bernd Reichelt vom Forschungsbereich Geschichte der Medizin im ZfP Südwürttemberg hieß die rund 280 Gäste im voll besetzten Konventbau willkommen und führte durch den Vormittag. Die Veranstaltung am Standort Zwiefalten war die zentrale Gedenkfeier aller Zentren für Psychiatrie Baden-Württemberg.

Dr. Dieter Grupp, Geschäftsführer des ZfP Südwürttemberg, begrüßte im Namen des Unternehmens und bedankte sich für das Interesse am Gedenktag. Man gedenke heute allen Opfern des Nationalsozialismus. Dies sei ein Versuch, jenen Menschen ein Stück Würde zurückzugeben. Mehr als 70.0000 Menschen waren bei der sogenannten Aktion T4 in sechs deutschen Vernichtungsanstalten getötet worden. Zwiefalten war für viele psychisch Kranke und geistig Behinderte der letzte Stopp vor Grafeneck, einer ebendieser Vernichtungsanstalten. „Wie kann eine Gesellschaft derartige Gräueltaten hervorbringen?“, fragte Grupp. Für viele ist dies kaum vorstellbar. Jedoch sei es auch in der heutigen Zeit schon wieder weit gekommen. „Wir tun gut daran, uns den geistigen Brandstiftern entschieden entgegenstellen“, forderte der ZfP-Geschäftsführer.

Gegen Hass und Stigmatisierung

Staatssekretärin im Ministerium für Soziales und Integration Bärbl Mielich vertrat Minister Manne Lucha mit einer berührenden Ansprache. Mielich appellierte, jenseits des Gedenkens auch den Bogen in die Gegenwart zu schlagen. Man dürfe nicht zulassen, dass Hass und Stigmatisierung entstehen. „Wir haben die Verantwortung auch in der Politik“, machte Mielich deutlich. Die Integration der Migranten sei in den letzten Jahren daher ein Schwerpunkt des Ministeriums gewesen. „Wir haben ein Wertesystem, das es zu verteidigen lohnt.“ Deshalb sind die Erinnerungskultur und Gedenkfeiern wie die im ZfP Zwiefalten von großer Bedeutung.

Die stellvertretende Bürgermeisterin Zwiefaltens Maria Knab-Hänle berichtete, dass das ZfP als einer der größten Arbeitgeber auch die Gemeinde positiv präge: „Viele Menschen werden hier in ihrer Besonderheit geschätzt und behandelt.“ Anschließend kam Knab-Hänle auf die Schattenseiten in der Geschichte Zwiefaltens zu sprechen – die NS-Zeit. „Diese Schreckenstaten dürfen sich nicht wiederholen“, betonte Knab-Hänle. Es sei bedeutend, die Geschichte im Bewusstsein zu behalten und „die Andersartigkeit unserer Mitmenschen zu respektieren.“

Aus dem Vergessen holen

Prof. Dr. Gerhard Längle, Regionaldirektor Alb-Neckar des ZfP Südwürttemberg, zog einen Bogen zu den aktuellen „Fridays for Future“-Demonstrationen. Er zeigte sich bei der Gedenkfeier beeindruckt und ermutigt von den vielen Jugendlich, die für ihre Meinung einstehen und sich nicht von leeren Versprechungen blenden lassen würden. Zugleich bekundete Längle seine Entrüstung über Politiker mit eindeutig rechtem Gedankengut, die heute wieder in den Parlamenten sitzen. „Doch unsere Jugendlichen sehen hin – und das ist gut“, kommentierte Längle. Sein Dank bei der Gedenkfeier galt daher insbesondere den Schülerinnen und Schülern der Münsterschule für ihren Beitrag.

Dr. Bernd Reichelt beleuchtete gemeinsam mit den im ZfP Zwiefalten tätigen FSJlern David Jornitz und Camilla Lesch die Schicksale zweier Patientinnen und Patienten der damaligen Heilanstalt Zwiefalten. Der Unteroffizier Andreas Bückle aus Trailfingen und Florina Ottenheimer aus Randegg wurden, weil sie als „lebensunwert“ eingestuft wurden, 1940 in Grafeneck ermordet. Mit der Beleuchtung ihrer Geschichten wolle man sie aus dem Vergessen holen: „Die beiden stehen stellvertretend für alle Menschen, die in Grafeneck, in Auschwitz und an unzähligen anderen Orten in Deutschland und Europa in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden. Ihnen allen wollen wir gedenken.“

Spuren der Menschlichkeit und Toleranz

„Wir werden in Zukunft mitverantwortlich sein“, verdeutlichte eine Schülerin ihre Motivation, bei dem Gedenktag mitzuwirken. Bereits als die Gäste die Treppen zum Konventbau hinaufstiegen, bemerkten sie den Beitrag der Klasse R10 der Münsterschule Zwiefalten. Die Treppenstufen waren mit bunten Zetteln beklebt, auf denen jeweils ein Menschenrecht geschrieben stand. „Man soll die Spuren der Menschlichkeit und Toleranz wahrnehmen“, erklärte ein Schüler. Die Menschenrechte lerne man in der Schule, jedoch seien sie nicht selbstverständlich, berichteten die Jugendlichen. „Wir wollen uns dafür einsetzen, dass diese eingehalten werden. [...] Jede einzelne Pflicht, jede Stufe ist für sich bedeutsam.“

Anschließend machten sich die Gäste gemeinsam auf den Weg zum Anstaltsfriedhof. Dort spielte Feuervogel eine bekannte Titelmelodie – die zum Film „Schindlers Liste“. Pfarrer Roland Albeck ließ sich davon inspirieren. Schindler sei durch und durch Mensch gewesen. Er habe seine Interessen zurückgestellt, um sein Ziel, so viele Menschen wie möglich vor den Nationalsozialisten zu retten, zu erreichen. Albeck appellierte: „Mischt euch ein. Seid intolerant gegenüber denen, die Toleranz nicht beachten.“ Abschließend legten eine Schülerin und ein Schüler der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege einen Kranz am Gedenkstein nieder.




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